„Gastgeben ist Haltung“ – im Gespräch mit Christine Friedreich

Wie wird aus einem Raum ein Erlebnis? Wann spüren Gäste echte Gastfreundschaft? Und warum ist Hospitality heute mehr denn je ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor? In diesem Gespräch teilt Unternehmerin, Speakerin und „Queen of Hospitality“ Christine Friedreich ihre Gedanken: über die Haltung des Gastgebens, unsichtbare Details, starke Teams und wie Betriebe draußen erlebbar machen, was drinnen zählt. Weil für sie Gastgeben mehr ist als ein Job – „es ist eine Einladung, die Welt ein bisschen wärmer zu machen“.
Meissl: Du sprichst von einer Haltung des Gastgebens. Was genau verstehst du darunter?
Christine Friedreich: Für mich ist Hospitality mehr als eine Branche, mehr als toller Service oder Luxus. Gastgeben beziehungsweise Hospitality ist eine Haltung – eine Art, wie man Menschen begegnet. Und eine Strategie, von der heute jedes Unternehmen profitieren kann. Gerade in einer Welt voll künstlicher Intelligenz, Technologie und virtueller Netzwerke werden echte Begegnungen zum entscheidenden Unterschied. Diese Haltung beginnt bei einem selbst – und wirkt sich in Unternehmen und Organisationen auch auf das Team und die Gäste und KundInnen aus.
Meissl: Beginnt Gastfreundschaft schon viel früher als beim Hereinkommen?
Christine Friedreich: Ja, Gastfreundschaft beginnt nicht an der Tür. Sie beginnt am Telefon, bei der Reservierung, auf der Website. Sie zeigt sich im Tonfall, im Tempo, in der Art, wie ich begrüßt werde. Und sie betrifft nicht nur klassische Hotels oder Restaurants – auch Unternehmen, Shops oder Dienstleister aller Art können lernen, ihre KundInnen als Gäste zu betrachten. Dann wird jede Interaktion zu einem Moment gelebter Gastfreundschaft.
Meissl: Was sind für dich die unsichtbaren, aber entscheidenden Details, die einen Ort einladend machen – drinnen wie draußen?
Christine Friedreich: Es sind genau die kleinen, oft unsichtbaren Details: die richtige Lichtstimmung, die bewusste und harmonische Positionierung von einzelnen Elementen, Materialien, die sich gut anfühlen oder einfach die Reduktion auf das Wesentliche. Denn weniger ist oft mehr. In Empfangsbereichen wirkt Reduktion viel mehr als Folder und Überfrachtung. So kann man einander wirklich begegnen. Und draußen? Da geht es darum, einen geschützten, flexiblen Raum zu schaffen, der einlädt – mit Licht, Wärme und zum Betrieb passenden Materialien und Farben. Elemente die zeigen: Hier bist du willkommen.
Meissl: Warum ist „Draußen“ in Gastronomie und Hotellerie für dich mehr als nur Terrasse oder Schanigarten?
Christine Friedreich: Weil das Draußen längst zum verlängerten Gastraum geworden ist. Gerade bei uns in Österreich ist die frische Luft wie ein Schatz, der viel dazu beiträgt, dass Gäste aus dem Ausland zu uns kommen. Aber auch generell: Gäste möchten heute draußen essen, feiern, verweilen – und sich dabei wohlfühlen! Wer es schafft, diesen Raum flexibel, gemütlich und wetterunabhängig zu gestalten, kreiert nicht nur mehr Platz, sondern echtes Erleben. Und das wirkt sich nachweislich messbar auf Umsatz und Auslastung aus.
Meissl: Du sagst, Räume können Gastgeber sein. Was meinst du damit – und wie lässt sich das umsetzen?
Christine Friedreich: Bevor wir auch nur ein Wort mit einem Menschen gewechselt haben, spüren wir: Bin ich hier willkommen? Fühle ich mich wohl? Räume kommunizieren. Sie erzählen, ob jemand mitgedacht hat. Und das spüren wir. Manche bewusst, manche unbewusst. Und wir nehmen wahr, ob an einem Ort Menschen gerne arbeiten und sich freuen, Gäste willkommen zu heißen. Räume, die Gastgeber sind, überraschen. Sie geben Orientierung und vermitteln Atmosphäre. Und das kann jeder umsetzen – mit dem richtigen Gespür, Reflexion und einem feinen Blick für die Details, die zum eigenen Betrieb passen. Auch hier gilt: Weniger ist mehr!

Meissl: Welche Rolle spielt Flexibilität im Gastgebersein – gerade in Zeiten von Personalmangel, Wetterumschwüngen und sich ändernden Gästebedürfnissen?
Christine Friedreich: Flexibilität ist der Schlüssel zum Erfolg – aber nicht im Sinne von „alles möglich machen“. Sondern im Sinne einer inneren Haltung. Wenn Teams gemeinsame Werte teilen, wird es viel einfacher, auf die genannten Herausforderungen zu reagieren. Dann braucht es keine strikten Checklisten, sondern ein gemeinsames Verständnis davon, was Gastfreundschaft bedeutet. Wer so arbeitet, schafft Räume, in denen sich das Team und Gäste gleichermaßen flexibel und willkommen fühlen.
Meissl: Wenn du einen Betrieb betrittst – was zeigt dir auf den ersten Blick, ob hier echte Gastfreundschaft gelebt wird?
Christine Friedreich: Ich spüre das meist in der Atmosphäre, also in der Energie, ob hier ein echtes Team mit gleichen Werten arbeitet. Oder ob was „in der Luft liegt“. In Folge erkenne ich an wenigen kleinen Details, ob es eine Linie und Haltung gibt, oder nicht. Beispielsweise in der Art der Zusammenarbeit im Team, in der Qualität der Materialien, der Produktherkunft und im Zusammenspiel von Details. Es ist wie ein Puzzle, bei dem alle Teile ein schönes Bild ergeben. Daran erkenne ich, ob sich jemand Gedanken gemacht hat. Ob es einen roten Faden gibt. Und ob ich mich als Mensch wahrgenommen fühle – nicht nur als Kundin.
Meissl: Viele denken bei Hospitality an Service. Du sprichst aber von Haltung. Was verändert sich, wenn man so denkt?
Christine Friedreich: Service ist schwarz-weiß. Hospitality ist bunt. Wer nur nach Serviceprozessen arbeitet, macht zwar alles korrekt, aber berührt oftmals nicht. Eine Haltung der Gastfreundschaft gibt Teams die Freiheit, authentisch zu handeln und Verantwortung zu übernehmen. Auch mal von der Norm abzuweichen, weil es dem Gast dient. Das macht den Unterschied zwischen einem funktionierenden Betrieb – und einem Ort, an dem ich mich wohl fühle und an den ich gerne zurückkehre.
Meissl: Gab es einen Moment, der für dich die Essenz von guter Hospitality auf den Punkt bringt?
Christine Friedreich: Gerade erinnere ich mich an zwei Restaurantbesuche in Skandinavien. Beide hoch dekoriert, beide teuer, beide perfekt. In einem fühlten wir uns gesehen – als Menschen. Im anderen waren wir gut versorgt, aber anonym. Heute, Jahre später, erinnere ich mich von keinem der beiden an ein Gericht oder die Weinbegleitung. Aber ich erinnere mich daran, wie wir behandelt wurden und an die Atmosphäre. Im einen ging ich als Freundin, im anderen als zahlende Kundin. Das macht für mich den Unterschied – und ratet mal von welchem Lokal ich immer wieder erzähle.
Meissl: Wenn du der Branche drei Impulse mitgeben könntest, um 2026 als Gastgeberbetrieb erfolgreich zu sein – welche wären das?
Christine Friedreich: Erstens: Sprich mit deinem Team. Findet gemeinsam heraus, was für euch echte Gastfreundschaft bedeutet und welche Werte ihr für euch und eure Gäste leben möchtet. Zweitens: Fokussiert euch in Folge auf ein Detail und nehmt alle drei Monate ein weiteres hinzu. Vielleicht ist es das gleiche Mindset oder aber etwas wie frische Blumen, Licht oder handgeschriebene Karten beim Check-In. Wofür auch immer ihr euch entscheidet: Lebt es mit Konsequenz und bleibt dran! Und Drittens: Stellt Fragen. Den Gästen, dem Team und euch selbst. Gute Fragen öffnen Räume und durch echtes Zuhören entstehen Ideen, Beziehungen – und langfristiger Erfolg.
Meissl: Herzlichen Dank für das Gespräch, Christine!






